TÜBINGEN (dpa-AFX) - Der seit Januar geltende Mindestlohn erhöht die
Schattenwirtschaft in Deutschland einer Studie zufolge in diesem Jahr um
1,5 Milliarden Euro - und verhindert so erstmals seit Jahren einen
weiteren Rückgang von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung.

    Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) bleibt daher unverändert
bei 12,2 Prozent, wie aus einer am Dienstag veröffentlichten Studie des
Tübinger Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) und der
Universität Linz hervorgeht. Demnach war der Wert hierzulande mit
Ausnahme des Krisenjahrs 2009 bisher seit Jahren rückläufig.
Gewerkschafter warnen jedoch davor, den Minimallohn zu verteufeln.

    "Die aktuelle Entwicklung ist auch durch den Mindestlohn bedingt",
erklärte IAW-Direktor Bernhard Boockmann, zu dessen Institut als
Firmenmitglieder unter anderem der Autobauer Daimler  und der
Technikkonzern Bosch gehören. Für sich genommen hätten die robuste
Konjunktur und Lage auf dem Arbeitsmarkt laut der Prognose für einen
Rückgang der Schattenwirtschaft gesorgt. Mit dem Begriff werden sowohl
Schwarzarbeit als auch illegale Beschäftigung und kriminelle
Aktivitäten wie Hehlerei und Betrug bezeichnet.

    "Übersehen wird die starke ordnungspolitische Funktion des
Mindestlohns", betonte allerdings Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied
des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin. "Das Argument
Schwarzarbeit wird immer wieder missbraucht, um gegen Steuern,
Sozialabgaben und höhere Löhne zu polemisieren, dabei ist der
Zusammenhang keinesfalls eindeutig."

    Der gesetzliche Mindestlohn ist zum neuen Jahr bundesweit gestartet.
Nach Angaben des Arbeitsministeriums sollen knapp vier Millionen
Menschen von der Neuregelung profitieren.

    Nach Schätzung der Experten dürfte tatsächlich nur ein
vergleichsweise kleiner Teil des Mindestlohns durch Schwarzarbeit
umgangen werden. Denn die notwendigen Lohnsteigerungen in den dafür
typischen Branchen liegen den Fachleuten zufolge insgesamt bei etwa 7
Milliarden Euro. Der erwartete Anstieg der Schattenwirtschaft von 1,5
Milliarden Euro durch den Mindestlohn ist wesentlich geringer.

    Kritiker sehen in ihm dennoch ein "ideologisches Prestigeprojekt der
SPD". "Der Einheitsmindestlohn ist ein Sonderkonjunkturprogramm für die
Schattenwirtschaft", erklärte etwa der baden-württembergische
FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer.

    Schwarz gearbeitet wird dem IAW zufolge besonders häufig in
Gaststätten, Hotels sowie Teilen der Bauwirtschaft. Auch bei
persönlichen Dienstleistungen und in der Landwirtschaft werde
vergleichsweise häufig am Fiskus vorbei verdient, hieß es.

    Mit Blick auf andere Länder steht die Bundesrepublik aber nicht
schlecht da: Im Vergleich zu anderen OECD-Staaten, die sich der
Demokratie und Marktwirtschaft verpflichtet fühlen, liegt Deutschland
mit seiner Schattenwirtschaft im Mittelfeld - ähnlich wie Frankreich
und skandinavische Länder. Düsterer sieht es in den Krisenländern
Griechenland, Italien, Portugal und Spanien aus. Hier liegt der Anteil
der Schattenwirtschaft am BIP zwischen 18 und 22 Prozent./lan/DP/fbr