- Am Nachmittag des 9. Mai 2005 platzte die Bombe.
Was unter dem schlichten Titel "Änderungen in der Führung der
Deutschen Börse AG"  per Adhoc-Mitteilung über die Ticker
lief, kam einer Revolution gleich: Aufständische Hedgefonds jagten die
Führung des Dax-Konzerns  aus dem Amt - ein Novum in der
deutschen Wirtschaftsgeschichte. Vorstandschef Werner Seifert musste
sofort gehen, Aufsichtsratschef Rolf Breuer folgte ihm zum Jahresende 2005.

    Inzwischen ist es ruhig geworden beim Frankfurter Marktbetreiber:
Die Hedgefonds TCI ("The Children's Investment Fund") und Atticus, die
den Umsturz anzettelten, zogen sich als Großaktionäre zurück. Seit
November 2005 führt der bedächtige Schweizer Reto Francioni den
Konzern -
geradezu ein Gegenpol zum gerne exzentrisch auftretenden Werner Seifert.
Auch das Kontrollgremium wurde neu aufgestellt.

    Zwar liefen die Geschäfte nach dem Rekordjahr 2008 mit dem ersten
Milliardenüberschuss der Unternehmensgeschichte zuletzt nicht mehr so
rund. In der Krise hielte sich Anleger zurück, zudem jagten alternative
Handelsplattformen etablierten Börsen Marktanteile ab. Dennoch
gehören die Frankfurter unangefochten zur Spitzengruppe der Börsen
weltweit - gemeinsam mit Chicago Mercantile Exchange (CME) und
NYSE/Euronext.

    Die Probleme, mit denen sich das Management zuletzt herumschlagen
musste, sind eher hausgemacht: Nach einem Streit über den Kurs verließ
Finanzvorstand Thomas Eichelmann im April 2009 den Konzern. Auf den
Gewinneinbruch 2009 reagiert das Management mit Stellenabbau - und
provozierte Kritik des Betriebsrates, der von "erheblicher Unruhe" im
Unternehmen und "keinerlei Verständnis bei den Mitarbeitern" sprach.

    Der Umzug der Börsenzentrale von Frankfurt ins wenige Kilometer
entfernte Eschborn aus steuerlichen Gründen machte der Börsenführung
am
Finanzplatz Frankfurt nicht nur Freunde. Die zum 28. März 2012
beschlossene Einstellung des klassischen Parketthandels an der
Frankfurter
Wertpapierbörse sorgte bei manchem der Händler auf dem Parkett für
Verstimmung.

    Doch all das ist nichts, verglichen mit dem Frühjahr 2005: Die
Hedgefonds TCI und Atticus torpedierten zunächst erfolgreich Seiferts
erneuten Griff nach der Londoner Börse London Stock Exchange (LSE)
 . Seifert konterte auch mit offenen Briefen: "Ich
betrachte Ihr Vorgehen als schädlich für das Unternehmen, seine
Besitzer, Kunden und Mitarbeiter."

    Doch die mächtigen Großaktionäre saßen am längeren Hebel. Das
brachte Seifert und Breuer nicht nur um ihre Jobs, sondern die Börse um
viel Geld: Ein Großteil der Mittel, die durch den verhinderten LSE-Kauf
frei wurden, flossen über Aktienrückkäufe und Sonderausschüttungen
den Anteilseignern zu. Von 2005 bis 2008 schüttete die Börse allein
über Aktienrückkaufprogramme rund 1,9 Milliarden Euro an ihre
Aktionäre
aus. Seifert und Breuer hatten die Internationalisierung der Börse
betrieben - und so letztlich die Tür für Anleger geöffnet, denen es
vor
allem ums schnelle Geld ging.

    Seiferts Nachfolger Francioni gelang es, eine Zerschlagung des
Unternehmens zu verhindern. Laut Seifert hatte TCI bereits im Frühjahr
2005 den "unheilvollen Plan" verkündet, "das Unternehmen
auseinanderzureißen". In seinem Buch "Die Invasion der Heuschrecken"
schreibt der
Ex-Börsenchef, TCI-Manager Christopher Hohn habe gefordert, die
Abwicklungstochter Clearstream zu verkaufen.

    Tatsächlich bewährte sich die Deutsche Börse gegen die
internationale Konkurrenz auch deshalb, weil sie ihren Kunden ein
umfassendes
Angebot bietet: vom Aktienhandel über den Terminmarkt Eurex bis zur
Abwicklung und der Verwahrung von Wertpapieren.

    Von riskanten Übernahmen hat man sich in Frankfurt verabschiedet.
"Unser Lieblingsthema ist organisches Wachstum", betont Francioni bei
jeder Gelegenheit. In diesem Jahr will die Börse ihre Investitionen um
mehr als 50 Prozent auf rund 100 Millionen Euro aufstocken. Die
Vertriebskapazität in Asien soll ausgebaut werden, zudem will das
Unternehmen stärker in außerbörsliche Bereiche vorstoßen und etwa
die
Abwicklung von Kreditderivaten vorantreiben. Francioni weiß: Es ist
"kein Selbstläufer", in der Spitzengruppe der globalen Börsen zu
bleiben: "Wir müssen hart dafür arbeiten."/ben/DP/zb
    --- Von Jörn Bender, dpa ---
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